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EU soll wegen russischer "Erpressung" Gasnachfrage senken
Angesichts eines drohenden Stopps der Gaslieferungen aus Russland soll die Europäische Union ihren Gasverbrauch bis März um 15 Prozent senken. Das sieht ein Notfall-Plan vor, den Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch vorstellte. Diese Einsparungen sollen zunächst auf freiwilliger Basis erfolgen. Für den Fall eines akuten Gas-Notstands strebt die Kommission Sondervollmachten an, um in Europa Maßnahmen erzwingen zu können.
Russland erpresse die EU und nutze Gas "wie eine Waffe", sagte von der Leyen. Der russische Präsident Wladimir Putin werde aber "dramatisch scheitern, wenn wir zusammenhalten", betonte sie.
Putin hatte am Vorabend gedroht, dass die Gaslieferungen aus Russland von der kommenden Woche an auf 20 Prozent der Maximalkapazität sinken könnten. Als Grund nannte er weitere Wartungsarbeiten. Der Gaskonzern Gazprom wolle seine Lieferverpflichtungen "vollständig" erfüllen - werde daran aber durch europäische Sanktionen gehindert, sagte Putin.
Der Notfallplan, den EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen nun in Brüssel vorstellte, sieht ein zweistufiges Verfahren vor: Zunächst sollen die Mitgliedstaaten zwischen dem 1. August und dem 31. März Einsparungen beim Gasverbrauch von öffentlicher Hand, Wirtschaft und Verbrauchern erwirken. So könnten etwa Heizungen gedrosselt und Laufzeiten von Atomkraftwerken verlängert werden.
Sollte dies nicht ausreichen, will die Kommission nach von der Leyens Worten mit einem neuen "Notfallinstrument" durchgreifen und "EU-Alarm" ausrufen. Die 15-prozentige Gaseinsparung sei zunächst "ein freiwilliges Ziel, im Fall eines Notstands wird es verbindlich", erläuterte die deutsche Kommissionschefin. Damit wolle ihre Behörde bei einem völligen Gasstopp durch Putin "eine schwerwiegende Rezession auf unserem Kontinent" abwenden.
Dafür müssten die Mitgliedstaaten allerdings einer neuen Rechtsgrundlage zustimmen. Mit ihrem Verordnungsvorschlag beruft sich die EU-Kommission auf Artikel 122 des EU-Vertrags. Er ermöglicht bei "ernsthaften Versorgungsproblemen" im Energiebereich Sondermaßnahmen.
Die Energieminister der 27 Mitgliedsländer wollen sich am Dienstag bei einer Sondersitzung in Brüssel mit den Plänen befassen. Für einen Beschluss wäre eine qualifizierte Mehrheit nötig: Zustimmen müssten 15 der 27 Mitgliedsländer, die zusammen 65 Prozent der EU-Bürger umfassen.
Auf Deutschland zielen die Brüsseler Pläne in besonderer Weise ab: Die Bundesrepublik ist bisher das einzige europäische Land, das die Gas-Alarmstufe ausgerufen hat. Elf weitere Staaten haben nach von der Leyens Angaben die Frühwarnstufe aktiviert.
Die Bundesregierung befürchtet, dass Russland nach dem Ende der Wartungsarbeiten an der Pipeline Nord Stream 1 die Gaslieferungen erneut drosselt oder ganz beendet. Dies könnte schon ab diesem Donnerstag der Fall sein.
In den vergangenen Monaten konnte Deutschland seine Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen weiter reduzieren: Ende Juni bezog Deutschland noch 26 Prozent seiner Gasimporte aus Russland, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Mittwoch mitteilte. Noch vor kurzem lag der russische Anteil im Mittel bei 55 Prozent.
Grund für den Rückgang seien auch die gedrosselten Gaslieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1, heißt es in einem Bericht des Ministeriums. Darin heißt es weiter, Deutschland befinde sich "in einer sich zuspitzenden Energiekrise".
Die von Deutschland erhoffte Energie-Hilfe durch Nachbarn wie Frankreich oder Polen knüpft die EU-Kommission an Bedingungen. Danach soll ein Land Solidarität nur dann einfordern können, wenn es seine Nachfrage ausreichend reduziert hat. "Wir wollen vermeiden, dass ein Land sagt: Du hast nicht alles getan, deshalb helfe ich dir nicht", sagte dazu Binnenmarktkommissar Thierry Breton.
Die Gasspeicher der EU-Länder sind nach Brüsseler Angaben derzeit im Schnitt zu fast 65 Prozent gefüllt, 15 Prozent unter dem vorgesehenen Füllstand für den Herbst. Ohne Einsparungen könne es im Winter hart werden, warnte Energiekommissarin Kadri Simson.
Deutschland und die EU suchen seit dem russischen Angriff auf die Ukraine Ende Februar nach alternativen Energieanbietern. Die Bundesregierung und die Kommission setzen zudem auf einen Ausbau erneuerbarer Energieträger.
L.Davis--AMWN