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Zahl der Bewerber um Johnson-Nachfolge in Großbritannien steigt auf neun
Nach der Rücktrittsankündigung des britischen Premierministers Boris Johnson sind inzwischen neun Kandidaten ins Rennen um seine Nachfolge als Tory-Chef eingestiegen. Zuletzt warf am Sonntagmorgen Außenhandelsstaatssekretärin Penny Mordaunt ihren Hut in den Ring. Am Samstag hatten mit dem zurückgetretenen Gesundheitsminister Sajid Javid, Finanzminister Nadhim Zahawi sowie dem ehemaligen Gesundheits- und Außenminister Jeremy Hunt drei politische Schwergewichte ihre Kandidatur erklärt. Verteidigungsminister Ben Wallace, der als einer der Favoriten auf Johnsons Nachfolge galt, verzichtete hingegen.
Das Rennen ist bislang weitgehend offen. Gute Chancen kann sich der aus Protest gegen Johnson zurückgetretene Ex-Finanzminister Rishi Sunak ausrechnen, der am Freitag seine Kandidatur erklärte. Der 42-jährige hatte mit seiner Wirtschaftspolitik in der Corona-Krise gepunktet und wird schon länger als ein Kandidat für Johnsons Nachfolge gehandelt. Doch Fragen zu seinem beträchtlichen Privatvermögen und Steuertricks seiner Familie schadeten zuletzt seinem Ruf.
Javid, Hunt und Zahawi suchten am Samstag die Distanz zu ihrem Konkurrenten: Alle drei sprachen sich für rasche Steuersenkungen aus, während Sunak als Voraussetzung dafür eine Sanierung der Staatsfinanzen genannt hatte. "Ohne Steuersenkungen werden wir kein Wachstum haben", unterstrich Javid am Sonntag in einem BBC-Interview. Das Trio zählt aber nicht zum engeren Favoritenkreis. Hunt war 2019 im Ringen um den Parteivorsitz Johnson unterlegen.
Der Premierminister hatte am Donnerstag nach einer beispiellosen parteiinternen Revolte wegen einer Reihe von Skandalen seinen Rücktritt als Parteichef angekündigt. Damit ist auch sein Aus als Regierungschef besiegelt. Er kündigte aber an, noch bis zur Wahl eines Nachfolgers im Amt zu bleiben, was bis zum Herbst dauern könnte.
Im Rennen um Johnsons Nachfolge hatten sich zuerst der einflussreiche Abgeordnete Tom Tugendhat sowie Generalstaatsanwältin und Brexit-Befürworterin Suella Braverman aus der Deckung gewagt. Beobachter zählen sie wie auch die zurückgetretene Gleichstellungsministerin Kemi Badenoch und Verkehrsminister Grant Shapps zu den weniger aussichtsreichen Kandidaten.
Staatssekretärin Mordaunt hingegen gilt als eine denkbare Kompromisskandidatin für den Vorsitz der zerstrittenen Tories. Die 49-jährige Reservistin der Royal Navy forderte am Sonntag, dass die öffentliche Debatte "sich etwas weniger um den Steuermann" und mehr auf das "Schiff" konzentrieren sollte - eine klare Anspielung auf die von Skandalen geprägten Jahre unter Johnson.
Verteidigungsminister Wallace verkündete derweil seinen Verzicht auf eine Kandidatur. Beobachter hatten den 52-Jährigen zu den aussichtsreichsten Kandidaten für Johnsons Nachfolge gezählt. "Nach sorgfältiger Abwägung und Gesprächen mit Kollegen und meiner Familie habe ich die Entscheidung getroffen, nicht ins Rennen um die Führung der Konservativen Partei zu gehen", schrieb Wallace auf Twitter.
Dies sei "keine einfache Wahl" gewesen, schrieb Wallace. Sein "Fokus" liege aber auf seinem gegenwärtigen Amt. Wallace hat als Verteidigungsminister angesichts des Ukraine-Kriegs einen verantwortungsvollen Posten und erntete dafür viel Lob.
Es wird damit gerechnet, dass sich noch weitere Regierungsmitglieder um Johnsons Nachfolge bewerben, unter ihnen Außenministerin Liz Truss. Sie wird für ihre Offenheit und ihr Durchsetzungsvermögen geschätzt. Kritiker werfen der 46-Jährigen aber vor, sich durch ihre Freimütigkeit angreifbar zu machen.
Ein Zeitplan für die Wahl des Parteivorsitzenden der konservativen Tories soll am Montag ausgearbeitet werden. Der dafür zuständige Parteifunktionär, Geoffrey Clifton-Brown, zeigte sich am Sonntag im britischen Radio zuversichtlich, dass bis zum 20. Juli zwei Kandidaten für eine Stichwahl feststehen könnten. Bis September könnte dann Johnsons Nachfolger bestimmt werden.
Ch.Kahalev--AMWN