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Bericht: BND führt Corona-Pandemie auf Laborunfall in China zurück - Kritik an Kanzleramt
Der Bundesnachrichtendienst (BND) hält es für wahrscheinlich, dass ein Laborunfall im chinesischen Wuhan die Ursache der Corona-Pandemie gewesen ist. Zu dieser Bewertung kam der deutsche Auslandsgeheimdienst nach Informationen von "Süddeutscher Zeitung" und "Zeit" bereits im Jahr 2020. In Auftrag gegeben wurde die Untersuchung demnach vom Kanzleramt, das die Befunde dann unter Verschluss gehalten habe. Daran wurde am Mittwoch scharfe Kritik laut.
Die BND-Analyse stützte sich den Berichten zufolge auf eine Auswertung öffentlicher Daten und insbesondere auf Material, das im Rahmen einer nachrichtendienstlichen Operation mit dem Codenamen "Saaremaa" beschafft worden sei.
Dabei handelt es sich den Berichten zufolge unter anderem um wissenschaftliche Daten aus chinesischen Forschungseinrichtungen - darunter dem "Wuhan Institut für Virologie", einer der führenden chinesischen Einrichtungen für Viren-Forschung. Neben Hinweisen auf riskante Experimente, bei denen in der Natur vorkommende Viren künstlich verändert wurden, soll das Material auch zahlreiche Verstöße gegen Vorschriften für die Labor-Sicherheit nachweisen.
Den Auftrag, die Herkunft des neuartigen SARS-CoV-2-Virus zu untersuchen, hatte demnach das Kanzleramt erteilt. Noch in der Regierungszeit von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe BND-Präsident Bruno Kahl persönlich das Kanzleramt über die nachrichtendienstliche Operation und die Bewertung des Dienstes unterrichtet.
Die Labor-These wurde mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 bis 95 Prozent bewertet, wie "Zeit" und "SZ" berichteten. Das Kanzleramt habe dann entschieden, die brisante Einschätzung unter Verschluss zu halten.
FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki machte den damals Verantwortlichen deshalb schwere Vorwürfe. "Die Bundesregierung hat die deutsche Öffentlichkeit und das Parlament nachweislich im Ungewissen gelassen", sagte er dem "Tagesspiegel". Dafür machte Kubicki auch den jetzigen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mitverantwortlich - und forderte, dass Lauterbach der nächsten Bundesregierung nicht mehr angehöre.
Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz forderte die Bundesregierung und die Nachrichtendienste auf, in den kommenden Tagen das für die Geheimdienstkontrolle zuständige Gremium des Bundestags zu informieren. Nötig seien Informationen "über die Zeitabläufe und zur Frage, wer was wann wusste", erklärte von Notz. Eine weitere Aufklärung und Aufarbeitung sei "dringend nötig".
Des Weiteren erklärte von Notz: "Sollte sich bestätigen, dass diese Pandemie menschengemacht ist, muss sich an unserer Wahrnehmung dieser Katastrophe, die unzählige Menschenleben forderte, an deren Folgen viele Menschen heute noch leiden und deren Bekämpfung weltweit enorme volkswirtschaftliche Schäden verursacht hat, grundlegend etwas ändern."
Die Bundesregierung wolle zu den Berichten nichts Konkretes sagen. Es sei "gute Praxis", dass sich die Regierung zu nachrichtendienstlichen Tätigkeit und Erkenntnissen nicht äußere, sagte eine Sprecherin. Sie fügte hinzu, dass die Bundesregierung im Allgemeinen "insbesondere die zuständigen geheim tagenden Gremien des Deutschen Bundestags in solchen Angelegenheiten" unterrichte.
Altkanzlerin Merkel wollte sich auf Anfrage von "Zeit" und "SZ" nicht dazu äußern, ob sie von dem Vorgang Kenntnis erhielt. Der damalige Kanzleramtsminister Helge Braun und der für die Nachrichtendienste zuständige Staatssekretär, Johannes Geismann, wollten sich demnach ebenfalls nicht äußern.
Direkt nach dem Regierungswechsel von Merkel zu Olaf Scholz (SPD) hatte BND-Chef Kahl den Berichten zufolge das Kanzleramt erneut informiert. Das für die Kontrolle der Nachrichtendienste zuständige Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages sei hingegen nicht unterrichtet worden, ebenso wenig wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Ende vergangenen Jahres entschied die Bundesregierung dem Bericht zufolge, externe Experten mit der Überprüfung der BND-Erkenntnisse zu beauftragten. Seit dem vergangenen Dezember prüfen demnach im Auftrag des Kanzleramts hochrangige externe Wissenschaftler die Validität der BND-Erkenntnisse. Zu der Gruppe gehörten der Präsident des Robert-Koch-Institutes, Lars Schade und der Berliner Virologe Christian Drosten. Ein abschließendes Ergebnis liege noch nicht vor.
Die Frage der Herkunft des Virus ist bis heute ein Rätsel. Die Aufklärung wird erschwert, weil die chinesische Regierung Untersuchungen der WHO blockiert. Diese hat bereits vor Jahren alle Staaten aufgerufen, ihr zur Verfügung stehende Informationen zur Verfügung zu stellen.
Th.Berger--AMWN