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Polizei geht bei Protesten gegen Imamoglu-Festnahme massiv gegen Demonstranten vor

Festnahme des Erdogan-Rivalen Imamoglu löst Protestwelle in der Türkei aus
Die Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters und Oppositionspolitikers Ekrem Imamoglu hat in der Türkei eine Protestwelle ausgelöst. Imamoglus linksnationalistische Partei CHP rief für Donnerstag zu weiteren Demonstrationen auf. Der CHP-Vorsitzende Özgür Özel wollte gegen 18.30 MEZ vor dem Istanbuler Rathaus zu seinen Anhängern sprechen, wie ein Parteisprecher mitteilte. Imamoglu forderte indes eine Reaktion der türkischen Justiz. Der Bürgermeister gilt als aussichtsreichster politischer Rivale von Präsident Recep Tayyip Erdogan.
"Sie müssen handeln und sich um diese Handvoll Kollegen kümmern, die unser Rechtssystem in Verruf bringen", schrieb Imamoglu im Onlinedienst X. "Sie können und dürfen nicht schweigen", fügte er hinzu. An die Nation gerichtet schrieb Imamoglu: "Die gleichen Leute, die mein Diplom weggenommen haben, werden euer Eigentum und eure Ehre angreifen (...). Als Nation müssen wir gegen dieses Übel zusammenhalten."
Die Universität Istanbul hatte den an der Hochschule erworbenen Abschluss des Bürgermeisters am Dienstag wegen angeblich "offensichtlicher Fehler" aberkannt. Der Politiker könnte damit von einer Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl ausgeschlossen werden, für die ein Hochschuldiplom eine Voraussetzung ist. Imamoglu wurde dann am Mittwochmorgen nach einer Razzia in seinem Haus festgenommen. Außer ihm wurden mehr als hundert weitere Menschen festgenommen, darunter Mitarbeiter, Abgeordnete und CHP-Mitglieder.
Der 53-jährige Bürgermeister wird laut Staatsanwaltschaft unter anderem der Korruption und Erpressung beschuldigt. Ihm wird vorgeworfen, Anführer einer "kriminellen Organisation" zu sein. Nach Angaben des Justizministeriums lautet ein weiterer Vorwurf "Unterstützung von Terrorismus". Dabei gehe es um mutmaßliche Verbindungen zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).
Trotz der heftigen Proteste seiner Unterstützer befand sich Imamoglu am Donnerstag weiterhin in Polizeigewahrsam. Die Behörden hatten am Mittwoch ein viertägiges Versammlungsverbot erlassen. Dennoch kamen am Mittwochabend tausende wütende Menschen vor dem Istanbuler Rathaus zu Protesten zusammen. Sie skandierten Parolen wie "Diktator Erdogan" und "Imamoglu, du bist nicht allein" und forderten den Rücktritt der Regierung.
CHP-Chef Özel verurteilte Imamoglus Festnahme vor Anhängern des Bürgermeisters als "Putschversuch gegen unseren nächsten Präsidenten". Es handele sich um einen "Putsch, um den Willen des Volkes zu behindern". Es gebe weder "Korruption" noch eine "terroristische Gruppe" sondern "Henker der Justiz, die am Ruder sind", sagte Özel vor der Menge.
An der Universität Istanbul hatten sich am Mittwoch hunderte Studenten versammelt, um gegen die Aberkennung von Imamoglus Abschluss zu protestieren. Die Polizei setzte Tränengas gegen die Demonstrierenden ein. Am Donnerstag nahmen auch die Studenten ihre Proteste wieder auf.
Die Festnahme des Oppositionspolitikers sorgte in Deutschland und in der EU für scharfe Kritik. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einem "sehr, sehr schlechten Zeichen". Der Vorfall sei "bedrückend für die Demokratie in der Türkei, aber ganz bestimmt auch bedrückend für das Verhältnis zwischen Europa und der Türkei", erklärte der Kanzler. Er forderte, "dass das sofort ein Ende findet und dass Opposition und Regierung im Wettbewerb miteinander stehen und nicht die Opposition vor Gericht gestellt wird".
Die CHP hatte angekündigt, Imamoglu am Sonntag offiziell zum Präsidentschaftskandidaten für die Wahl 2028 zu nominieren. Um eine weitere Amtszeit Erdogans zu ermöglichen, der seit 2014 Präsident ist, wäre eine Verfassungsänderung nötig, die bereits im Gespräch ist.
Dem Analysten Hamish Kinnear vom Risikoberatungsunternehmen Verisk Maplecroft zufolge könnte Imamoglus Festnahme diese Pläne jedoch durchkreuzen. "Wenn Imamoglus Festnahme die Opposition eint und eine politische Gegenreaktion hervorruft, könnte dies den Plan der Regierung, eine Verfassungsänderung durchzusetzen, (...) zunichte machen".
C.Garcia--AMWN